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Scheie mit Erdbeeren - Bei Alemannia Aachen werden 11FREUNDE

Am gest­rigen Mitt­woch-Morgen dürfte den Fans von Ale­mannia Aachen der Mar­me­laden-Löffel in die schwarz-gelbe Kaf­fee­tasse gefallen sein. Denn was die Aachener Zei­tung“ und nicht der Verein ver­mel­dete, war ein wei­terer Nacken­schlag für die mit Nacken­schlägen äußerst erfah­renen Anhänger des Ver­eins, der es geschafft hat inner­halb von nur fünf Jahren direkt aus der Bun­des­liga in die scho­ckie­rende Insol­venz zu stürmen, sein iden­ti­täts­stif­tendes Sta­dion abzu­reißen und aus zwei Ligen abzu­steigen. Ale­man­nias Dau­er­karten sind ungültig!“, titelte das erste Blatt am Ort und das war in der Tat die Kir­sche auf dem Sah­ne­ku­chen auf der Scheiße mit Erd­beeren-Tour“ auf der Ale­mannia und seine Fans seit geraumer Zeit unter­wegs sind.

Alles, was nicht niet- und nagel­fest, wird zur Insol­venz­masse erklärt

Ale­mannia Aachen kämpft ver­zwei­felt um das nackte Über­leben. Das Insol­venz­ver­fahren soll im Sommer eröffnet werden, ange­meldet ist es schon. Rund um den Tra­di­ti­ons­verein befindet man sich seit Wochen in dem kom­pli­zierten Pro­zess einer finan­zi­ellen Bank­rott­erklä­rung, her­vor­ge­rufen durch eine Mischung aus Sorg­lo­sig­keit und Inkom­pe­tenz bei den han­delnden Per­sonen. Die Folge: Alles, was nicht niet- und nagel­fest ist am Tivoli, wird flugs zur Insol­venz­masse erklärt, von der VIP-Loge bis zum Auto­auf­kleber. Doch nun der Höhe­punkt: Insol­venz­recht­lich gehören auch die Dau­er­karten zur Insol­venz­masse und sind dem­nach nicht länger gültig. Ihre Besitzer könnten sich nun hinter Hand­wer­kern, Spie­ler­be­ra­tern und Würst­chen­ver­käu­fern in die lange Reihe der betrof­fenen Gläu­biger ein­reihen und ver­su­chen ihre Ansprüche gel­tend zu machen – mit etwa der glei­chen Erfolgs­aus­sicht mit der sich Ale­mannia seit einiger Zeit über den Rasen bewegt. Die offi­zi­elle Begrün­dung zum Vor­gang auf der Web­site der Ale­mannia klingt wie eine Ver­höh­nung treuer Fans, die teil­weise ihre Dau­er­karte seit Jahr­zehnten ver­län­gern – auch wenn sie recht­lich hieb- und stich­fest ist: Die Dau­er­karte ist wie eine Vor­kasse zu bewerten, denn die Zah­lung erfolgte vor Insol­venz­an­trags­stel­lung, die dafür fäl­lige Leis­tung soll aber zum großen Teil erst nach Insol­venz­an­trag erfüllt werden.“

So weit, so büro­kra­tisch! Denn was aus recht­li­cher Sicht eine plau­sible Argu­men­ta­tion scheint, ist aus emo­tio­naler Sicht nur eine wei­tere Bank­rott­erklä­rung. Denn diesen wurde natür­lich ans Herz gelegt, sich eine neue Rück­run­den­karte zu kaufen – die zweite Dau­er­karte in einer Saison! Der Erlös komme dem Kader zugute, der in der Rück­runde Tabel­len­platz 16 ver­tei­digen soll. Kein Wunder, dass die Fan­seele ges­tern kochte. Unge­bremster Ärger, der sich in erster Linie in den sozialen Netz­werken seinen Raum suchte. Rei­hen­weise kün­digten sogar die treu­esten Ale­mannen an, den Spielen im sowieso schon eher unbe­liebten neuen Tivoli fern zu bleiben. Eine nach­voll­zieh­bare Hal­tung, ist eine Dau­er­karte doch vor allem ein Aus­druck der lei­den­schaft­li­chen Liebe zu einem Verein, die man jedes Jahr aufs Neue ver­län­gert. Viel mehr jeden­falls als ein juris­ti­scher Gegen­stand rund um eine finan­zi­elle Kata­strophe.

Seit Wochen werden die Fans in Aachen beschworen für den Verein zu spenden. So wurde bei den letzten Heim­spielen – ganz kreativ – ein Retter-T-Shirt für 20 Euro ange­boten, Retter-Spiele gegen Schalke und die Bayern ver­ein­bart, bei denen die Karten zu den übli­chen Preisen und einem Retter-Auf­schlag ange­boten werden sowie ein Spen­den­konto ein­ge­richtet. Mit Erfolg, wie der Fall des sie­ben­jäh­rigen Tim zeigte, der sein Spar­schwein an die Geschäfts­stelle schickte, mit der Bitte sein Taschen­geld für die Ret­tung seiner Ale­mannia dort raus zu häm­mern. Natür­lich vergaß der kleine Mann über­dies nicht, darauf hin­zu­weisen, auch in Zukunft im Sta­dion dabei zu sein – unab­hängig von der Liga. Es ist nicht über­lie­fert, ob sein Vater ihm vor dem Weg in die Schule bei­brachte, dass mitt­ler­weile seine Dau­er­karte ihren Wert ver­loren hatte und er sich vom Christ­kind doch besser mal reich­lich Bares wün­schen sollte, anstatt ein Trikot mit Thomas-Stehle-Beflo­ckung“ auf den Wunsch­zettel zu schreiben.

Es gilt immer noch: Gott segne Ale­mannia Aachen!

Hatten also alle Betei­ligten in Aachen gedacht, außer Chuck Norris könnte nichts und nie­mand ihren Verein mehr erschüt­tern, mussten sie sich nun doch eines bes­seren belehren lassen. Denn, dass sie zwei Mal für eine Karte bezahlen sollten – darauf wären sicher nicht einmal die gewief­testen Ferengi gekommen. Unklar ist, wie viele der für Dritt­liga-Ver­hält­nisse sen­sa­tio­nellen 8.500 Fans das tat­säch­lich gemacht hätten. Und mitt­ler­weile ist es auch obsolet, denn der Verein reagierte tat­säch­lich auf die Pro­teste der Fans. Der neue Deal: Jeder Fan soll selbst ent­scheiden, wie viel er bereit ist für seine Rück­runden-Dau­er­karte zu zahlen. Und dabei han­delt es sich für Ale­mannia um eine richtig gute Lösung. Denn auf eines ist in dem ganzen Chaos letzt­lich doch Ver­lass: die Fans, die zwei Abstiege, den Abriss des Tivolis und den fahr­läs­sigen Unter­gang ihres Ver­eins mit beein­dru­ckender Hal­tung hin­nehmen, werden nicht die Kalt­blü­tig­keit auf­bringen, nur einen sym­bo­li­schen Euro für die Karte zu zahlen. Ent­spre­chend waren die ersten Reak­tionen in der Fan­szene, die von einem Kom­pro­miss spra­chen, mit dem man leben könne. Selbst der Autor dieser Zeilen wird wohl wieder das Porte­mon­naie zücken. Denn: Gott segne Ale­mannia Aachen!

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Der Autor Sascha Theisen ist Autor des Buches Marmor, Stein und Eisen – Geschichten vom Aachener Tivoli“ ist seit Jahr­zehnten Besitzer einer Dau­er­karte der Ale­mannia, so wie sein Sohn.

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Brenda Moya

Update: 2024-11-25